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Das Naturschutzgebiet Boberger Niederung weist vier für Norddeutschland typische Landschaftsformen auf: Geest mit Geesthang, Marsch, Moore und Binnendünen. Durch ihre enge Verzahnung konnte sich kleinflächig eine außerordentliche Biotopvielfalt entwickeln, die einen entsprechenden Artenreichtum zur Folge hat. Die Binnendüne gehört beispielsweise bundesweit zu den am stärksten gefährdeten Biotoptypen. Im Naturschutzgebiet wachsen circa 650 Pflanzenarten. Darunter viele stark gefährdete oder am Rande ihres Vorkommens auftretende Arten.

Das 350 Hektar große Naturschutzgebiet Boberger Niederung wurde 1991 unter Schutz gestellt und umfasst Randbereiche sowie Talzonen des nacheiszeitlichen Elbeurstromtals mit sehr unterschiedlichen Lebensräumen. Der Geesthang wurde vom Schmelzwasser geformt. Aus dem Urstromtal der Elbe wurde Sand aufgeweht, der sich vor dem Geesthang ansammelte. Es entstanden bis zu 25 Meter hohe Binnendünen. Das aus den Hangquellen austretende Wasser konnte, durch die aufgewehten Dünen behindert, nicht mehr vollständig zur Bille abfließen. Ein See entstand, der verlandete und zu einem Erlenbruchwald heranwuchs. Das heutige Achtermoor entstand. Auf tieferliegenden Dünenflächen wurde mit dem Elbhochwasser Kleiboden abgelagert, ein Vorgang der erst mit den Eindeichungen im Mittelalter zum Stillstand kam. Hier entstanden Marsch-Flächen. Der Mensch hat auf vielfältige Weise in diese Landschaften eingegriffen. Durch Eindeichung und Entwässerung der Marsch wurde eine intensive landwirtschaftliche Nutzung möglich. Mehrere ehemalige Hofstellen sind heute noch an der Vegetation erkennbar. Nach 1945 wurde im Achtermoor Brenntorf abgebaut, wobei die beiden Teiche entstanden sind. Seit Nutzungsaufgabe wachsen wieder Erlen, Birken und Weiden als Bruchwald (nährstoffreiches Niedermoor) heran. Der Sand der Binnendüne ist zum großen Teil abgebaut und vor allem zur Geländeerhöhung für neue Stadtteile wie Hammerbrook und Billbrook und den Bahndammbau verwendet worden. Der Schwerpunkt des Abbaus lag in den Jahren 1903 - 1909. Der Abtransport des Sandes fand mit einer Kleinbahn statt, deren Trasse auf dem heute das Gebiet in Ost-West-Richtung durchquerenden Hauptwanderweg lag. Nur weil man sich in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht über den Sandpreis einigen konnte, blieb der bereits gerodete Dünenrest als offene Binnendünenlandschaft erhalten. Beim Bau der Autobahn A1 nach Lübeck wurde noch einmal Sand im Gebiet gewonnen - der Boberger See entstand, der seit dem Bau der Großsiedlung Mümmelmannsberg als Badesee genutzt wird. Auch der Geesthang wurde stark verändert. Zunächst hatte sich durch Beweidung eine baumarme, artenreiche Heide- und Trockenrasenlandschaft entwickelt. Anfang des Jahrhunderts begann ein mehrere Jahrzehnte dauernder Abbau von Ton zur Ziegelherstellung. Durch den Abbau erhielt der Hang seine terrassenförmige Struktur. Nach Nutzungsaufgabe bewaldeten sich die meisten der Hang- und Terrassenflächen.

Auch unabhängig von menschlichen Eingriffen hat sich in den letzten Jahrzehnten das Gesicht der Fläche sehr verändert. Durch die fortschreitende Sukzession haben sich viele offene Standorte bewaldet, auch auf den Trockenrasen setzten sich zunehmend Zitterpappeln und Birken durch. Das örtliche Gartenbauamt hat zudem bedeutende Trockenrasen- und Dünenflächen mit Kiefern, Ahorn, Lärchen und anderen Arten bepflanzen lassen. In kleinen Gruppen wurden standortfremde Arten eingebracht, wie Robinie, Roteiche, Späte Traubenkirsche und Hybridpappel, die sich zum Teil auch selbst weiter verbreiteten. Auch wurden Hangterrassen von Privaten als Gartenbauflächen genutzt und mit Forsythien bzw. Amerikanischer Weide bepflanzt.

Vegetationsveränderungen haben sich auch durch eine unnatürlich hohe Nährstoffzufuhr ergeben, etwa über die Luft (vor allem Stickstoffverbindungen durch Autoabgase und Kraftwerke) und die angrenzende intensive Landwirtschaft. Auch nach Unterschutzstellung wurden als Zugeständnis an die Landwirtschaft acht Hektar Ackerflächen im Naturschutzgebiet bis 31.12.1998 von den Regelungen der Verordnung (Pestizidverbot und Düngebeschränkungen) ausgenommen. Die Eutrophierung erklärt vermutlich das zügige Vordringen des häufig Monokulturen bildenden Landreitgrases auf den Trockenrasenflächen.

Auch in den Gewässern wird die Nährstoffanreicherung deutlich: so zeigt der See in den letzten Jahren vermehrtes Algenwachstum und auch der früher nährstoffarme Haarteich wurde vor allem durch Nutzung als Badeplatz, Hundespielplatz, Pferdetränke und Angelgewässer nachteilig verändert. In der Marsch wurde der Grundwasserstand abgesenkt, vor allem aber die Bille wurde massiv verändert. Da ihr die Wasserzufuhr abgeschnitten wurde (die eigentliche Bille entwässert heute über den Bergedorfer Schleusengraben und die Krapphofschleuse), ist sie quasi ein stehendes Gewässer geworden. Zudem ist ihr Wasserstand abgesenkt, so dass sie östlich der Autobahn um bis zu 50 Zentimeter hoch gepumpt wird, um Richtung Elbe zu entwässern. Durch die nur minimale Fließgeschwindigkeit lagert sich Sediment in der Bille ab. Deshalb wird die Bachsohle regelmäßig geräumt, wobei wertvoller Pflanzen- und Kleintierbestand vernichtet wird.

Große Probleme resultieren aus der Tatsache, dass der überwiegende Teil des Naturschutzgebietes jahrzehntelang als Grünanlage eingestuft war. So hat das Gebiet eine Reihe bisheriger Nutzungen übernehmen müssen (ein Segelfluggelände, zwei Angelvereine haben Pachtgewässer im Naturschutzgebiet, Baden und Lagern am Boberger See ist gestattet). Der Besucherdruck ist durch viele Großbauvorhaben im Umfeld des Gebietes enorm gewachsen. Viele Besucher, die die Boberger niederung weiterhin vorrangig als Naherholungsgebiet betrachten, halten sich nicht an die Ge- und Verbote der Naturschutzgebietsverordnung. Es besteht ein enges Geflecht von Pfaden und viele Besucher werden selbst abseits dieser Pfade angetroffen, Abfälle werden achtlos fortgeworfen, Naturschutzschilder und Wegeführungen vorsätzlich zerstört (so wurde das Anleingebot für Hunde auf zahlreichen Schildern ausgekratzt), Reitwegekennzeichnungen abmontiert, Erholungsinfrastruktur zerstört oder beschädigt und Feuer entfacht. Der Ansprache von Hundebesitzern auf das Anleingebot durch behördliche Ranger folgten Leserbriefbeschwerden und Unterschriftenlisten von Hundebesitzern für mehr Hundefreilauf. Der Naturschutz bewegt sich hier manchmal in einem schwierigen Umfeld.

Kleinflächig wechselnde Standorte ermöglichen im Naturschutzgebiet Boberger Niederung einen außergewöhnlichen Biotop- und Artenreichtum.

Der Dünenkörper ist durch häufige Sandumlagerung bei stärkeren Winden in Bewegung, so dass ständig neue Pionierstandorte etwa für Silbergras, Sandsegge und Kriechweide entstehen können. Neben der Binnendüne finden sich im NSG andere Sandbereiche mit Heide und Trockenrasen, übersandeter Eichen-Krattwald, Moorflächen, Stillgewässer, Gräben, ehemalige Kanäle, die Bille und die Ladenbek, Abgrabungssenken, der Geesthang mit Quellen, Orchideenterrassen (ermöglicht durch den kalkhaltigen Boden mit Staunässe und sonnenexponierter Ausrichtung), Ruderalflächen (ehemalige Hof- und Ziegeleigelände), Grünland und Wälder (vor allem vom Menschen unbeeinflusste Pionierwälder).

Im Naturschutzgebiet wachsen viele stark gefährdete oder am Rande ihres Vorkommens auftretende Arten. Über 100 der hier vorkommenden Pflanzenarten sind auf der Roten Liste der gefährdeten Arten verzeichnet. Das Naturschutzgebiet ist also reich an botanischen Kostbarkeiten, unter anderem: Seltene Rosen-, Weiden- und Birkenarten, Wildobst, Karthäuser Nelke, Blaugrünes Schillergras, Berg-Sandköpfchen, Fetthenne, Storchschnabel, Sand-Vergissmeinnicht, Heide-Nelke, Frühlings-Spark, Golddistel, Nickende Distel, Berg-Johanniskraut, Natternkopf, Odermennig, Glockenheide, Breitblättriges Knabenkraut, Fuchs´sches Knabenkraut, Ochsenzunge, Wiesen-Knöterich, Sumpf-Stendelwurz, Baltischer Enzian, Sumpf-Herzblatt, Großes Zweiblatt, Gamander-Ehrenpreis, Kleines und Rundblättriges Wintergrün, Fichtenspargel, Winterschachtelhalm, Echtes Tausendgüldenkraut, Milzkraut, Flaches Quellried, Torfmoose, Wollgras, Fieberklee, Sumpfblutauge, Schwanenblume, Seekanne, Wasserfeder, Krebsschere, Wasserhahnenfuß und Gelbe Teichrose. Trotz dieser Fülle darf nicht übersehen werden, dass viele der seltenen Arten auch im Naturschutzgebiet rückläufig bzw. ganz verschwunden sind (wie zum Beispiel die Wiesen-Küchenschelle).

Unter den vorkommenden Tierarten sind bemerkenswert: Zwergmaus, ein Einzelnachweis der Haselmaus, Rebhuhn, Bekassine, Wachtelkönig, Heidelerche, Braunkehlchen, Haubentaucher, Kiebitz, Neuntöter, Pirol, Nachtigall, Kolkrabe, Schwarzspecht, Rohrweihe, Habicht, Zauneidechse, Moorfrosch, Seefrosch und die Kreuzkröte.

Charakteristisch für das Naturschutzgebiet ist aber vor allem die große Insektenvielfalt. So kommen mindestens 120 Hautflüglerarten vor (darunter 56 Bienen- und 43 Grabwespenarten), wovon 14 Arten auf der bundesdeutschen Roten Liste verzeichnet sind. Früher war die Zahl der Hautflüglerarten im Gebiet vermutlich erheblich höher, erst in den letzten Jahren ist sie wieder leicht ansteigend. 26 Libellenarten: darunter Große Moosjungfer, Grüne Mosaikjungfer, Schwarze und Blutrote Heidelibelle und Glänzende Smaragdlibelle und 16 Heuschreckenarten - darunter Warzenbeißer, Zwitscher-Heupferd, Gefleckte Keulenschrecke, Panzers Grashüpfer und die wieder aufgetauchte Blauflügelige Ödlandschrecke- wurden nachgewiesen. Auch die Falterarten Blutströpfchen, Rotbraunes Ochsenauge, Bläulinge, Feuerfalter, Grüne Beifußeule und Dickkopffalter leben im Gebiet. Weitere Tierarten sind: Ameisenlöwe, Stierkäfer, Dünen-Sandlaufkäfer, Wasserspinne, Sumpfschnecke und Erbsenmuschel.

1989 bildete sich die Betreuungsgemeinschaft Boberger Niederung, die im Herbst des Jahres mit einem zweiwöchigen Dauereinsatz und der Aufstellung eines über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanzierten Landschaftspflegeprojekts der Gesellschaft für ökologische Planung e.V., begann, die Pflegerückstände aufzuarbeiten. So wurden Heide- und Trockenrasenflächen entkusselt und durch Einschlag oder Rodung vor allem von Birken, Zitterpappeln und Ahorn und einer großen Zahl von Kiefern wieder vergrößert bzw. miteinander vernetzt. Eine große Zahl standortfremder Gehölze wurde entnommen, die mit Japanischen Staudenknöterich bestandenen Flächen gemäht, die Pflanzen gerodet und der Boden teilweise mit Folie abgedeckt. Teile des Landreitgrases wurden jährlich gemäht.

Seit einigen Jahren wird das Freihalten der Heideflächen durch eine Schafherde unterstützt. Auch werden Wiesenareale und Terrassen mit wertvollen Pflanzenbeständen durch regelmäßige Mahd erhalten. Auf kleineren, vergrasten Flächen der Düne ist der Oberboden abgetragen worden, um der Pioniervegetation wieder Raum zu geben. Am Geesthang sind besonnte Abschnitte neu geschaffen worden. Um den Vertritt der Hautflügler-Gelege und der Pioniervegetation zu mindern, wurden Dünenteile mit Wegebegrenzungen und kleinen flachen Zäunen versehen. Kleingewässer in den Marschflächen wurden saniert bzw. neu angelegt. Die Ladenbek, die vorher nur noch eine Betonrinne war, wurde zwischen 1986 und 1989 umgestaltet: der künstliche Ablauf wurde abgebaut und ein Versickerungsbett mit einem Tümpel gestaltet.

Die Naturschutzgebietsverordnung formuliert für die Bille als Ziel ausdrücklich, den Tideeinfluss wiederherzustellen. Durch Versetzen oder eine geänderte Einstellung des Pumpwerks an der Autobahn ließe sich der Wasserstand wieder anheben, wobei abgetragene Teile des ehemaligen Sommerdeichs erneuert werden müssten. Ein begrenztes Ein- und Ausschwingen der Tide ließe die im Hafen liegende Brandshofer Schleuse zu. Neue Wasserstände für die Bille müssten durch ein Planfeststellungsverfahren beschlossen werden, wobei sich lokal einiger Unmut äußern dürfte. Der große ökologische Gewinn würde ein solches Vorhaben aber auf jeden Fall rechtfertigen. Ein Schritt in diese Richtung wurde bereits 1988 getan, indem ein Überschwemmungsgebiet der Bille festgelegt worden ist. Es bleibt weiter wünschenswert und nach dem Landschaftsprogramm auch vorgesehen, nach Aufgabe bzw. Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung den Billebogen und nach etwaigen Renaturierungsmaßnahmen auch größere Teile des Billetals in das Naturschutzgebiet zu integrieren.

Seit dem 1.1.1999 gelten für alle landwirtschaftlich genutzten Flächen im Naturschutzgebiet ein Pestizidverbot sowie Bewirtschaftungs- und Düngebeschränkungen, die lediglich den Einsatz von Stalldung und Kalk gestatten, aber zum Beispiel das Ausbringen von Gülle untersagen. Zur besseren Durchsetzung der Naturschutzgebietsverordnung waren seit 1995 zeitweilig Ranger im Einsatz, seit 1997 gibt es einen eigenen Naturschutzwart für das Gebiet. 1996 wurde ein Naturschutz-Informationshaus errichtet.

Neben einem ausführlichen Pflege- und Entwicklungskonzept, liegt auch ein Gutachten für ein Erholungskonzept für die Boberger Niederung vor. Darin wird vor allem die bessere Vereinbarkeit der Erholungsnutzung mit den Naturschutzzielen gefordert. Einen Beitrag dazu leistete ein mehrjähriges Projekt der Gesellschaft für ökologische Planung, bei dem vor allem das Wegesystem neu gestaltet und mehrere Informationswege angelegt wurden. Das „Wege- und Erholungskonzept für das naturschutzgebiet Boberger Niederung“ der GÖP wurde zu großen Teilen finanziert von der damaligen HEW-Umweltstiftung.

Im Umfeld des Naturschutzgebiets sind durch die Gesellschaft für ökologische Planung e.V. Tümpel saniert und ein Geesthang-Bereich für die dort noch vorkommenden Zauneidechsen angemessener gestaltet worden. Eine große Maßnahme ist ab 1998 südlich des Naturschutzgebiets im Billebogen realisiert worden: Ackerflächen wurden zu extensiv genutztem Grünland umgewandelt, eine Hochstamm-Obstwiese angelegt, eine kleine Fläche Magerrasen am südlichen Dünenrand entwickelt, neue Gräben, Teiche, Blänken und eine neue Wetter geschaffen ohne Anschluß ans Wassersystem des Umfeldes, um unerwünschte Entwässerung zu verhindern. Das Vorhaben dient als Ersatzmaßnahme für den Ausbau der Bahnstrecke Hamburg-Berlin durch die Deutsche Bundesbahn.

Nachdem 2019 im Norden des Naturschutzgebietes Dioxin gefunden wurde, sind umfangreiche Sichherungsmaßnahmen eingeleitet worden. Die belasteten Flächen sind großräumig abgesperrt und werden versiegelt.

Die Betreuungsgemeinschaft Boberger Niederung besteht aus der Gesellschaft für ökologischen Planung e.V. (federführend), dem Botanischer Verein, dem BUND und dem Naturschutzbund.

Das Naturschutz-Informationshaus „Boberger Dünenhaus“ wird von der Loki-Schmidt-Stiftung betreut. Es ist geöffnet: Dienstag bis Freitag 9-13 Uhr, sonn- und feiertags 11-17 Uhr.

Das Naturschutzgebiet Boberger Niederung liegt im Bezirk Hamburg-Bergedorf unterhalb der B5.

ÖPNV:
Buslinie 221 bis zur Haltestelle Boberger Furtweg
Buslinie 330 bis zur Haltestelle Billwerder-Kirche
Buslinie 12 bis zur Haltestelle Schulredder

Auto:
B5 bis Lohbrügge, folgen Sie den Straßen Am Langberg und Schulredder bis Boberger Furt

Naturschutzgebiete

Das Naturschutzgebiet Boberger Niederung weist vier für Norddeutschland typische Landschaftsformen auf: Geest mit Geesthang, Marsch, Moore und Binnendünen. Durch ihre enge Verzahnung konnte sich kleinflächig eine außerordentliche Biotopvielfalt entwickeln, die einen entsprechenden Artenreichtum zur Folge hat. Die Binnendüne gehört beispielsweise bundesweit zu den am stärksten gefährdeten Biotoptypen. Im Naturschutzgebiet wachsen circa 650 Pflanzenarten. Darunter viele stark gefährdete oder am Rande ihres Vorkommens auftretende Arten.


Das 350 Hektar große Naturschutzgebiet Boberger Niederung wurde 1991 unter Schutz gestellt und umfasst Randbereiche sowie Talzonen des nacheiszeitlichen Elbeurstromtals mit sehr unterschiedlichen Lebensräumen. Der Geesthang wurde vom Schmelzwasser geformt. Aus dem Urstromtal der Elbe wurde Sand aufgeweht, der sich vor dem Geesthang ansammelte. Es entstanden bis zu 25 Meter hohe Binnendünen. Das aus den Hangquellen austretende Wasser konnte, durch die aufgewehten Dünen behindert, nicht mehr vollständig zur Bille abfließen. Ein See entstand, der verlandete und zu einem Erlenbruchwald heranwuchs. Das heutige Achtermoor entstand. Auf tieferliegenden Dünenflächen wurde mit dem Elbhochwasser Kleiboden abgelagert, ein Vorgang der erst mit den Eindeichungen im Mittelalter zum Stillstand kam. Hier entstanden Marsch-Flächen. Der Mensch hat auf vielfältige Weise in diese Landschaften eingegriffen. Durch Eindeichung und Entwässerung der Marsch wurde eine intensive landwirtschaftliche Nutzung möglich. Mehrere ehemalige Hofstellen sind heute noch an der Vegetation erkennbar. Nach 1945 wurde im Achtermoor Brenntorf abgebaut, wobei die beiden Teiche entstanden sind. Seit Nutzungsaufgabe wachsen wieder Erlen, Birken und Weiden als Bruchwald (nährstoffreiches Niedermoor) heran. Der Sand der Binnendüne ist zum großen Teil abgebaut und vor allem zur Geländeerhöhung für neue Stadtteile wie Hammerbrook und Billbrook und den Bahndammbau verwendet worden. Der Schwerpunkt des Abbaus lag in den Jahren 1903 - 1909. Der Abtransport des Sandes fand mit einer Kleinbahn statt, deren Trasse auf dem heute das Gebiet in Ost-West-Richtung durchquerenden Hauptwanderweg lag. Nur weil man sich in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht über den Sandpreis einigen konnte, blieb der bereits gerodete Dünenrest als offene Binnendünenlandschaft erhalten. Beim Bau der Autobahn A1 nach Lübeck wurde noch einmal Sand im Gebiet gewonnen - der Boberger See entstand, der seit dem Bau der Großsiedlung Mümmelmannsberg als Badesee genutzt wird. Auch der Geesthang wurde stark verändert. Zunächst hatte sich durch Beweidung eine baumarme, artenreiche Heide- und Trockenrasenlandschaft entwickelt. Anfang des Jahrhunderts begann ein mehrere Jahrzehnte dauernder Abbau von Ton zur Ziegelherstellung. Durch den Abbau erhielt der Hang seine terrassenförmige Struktur. Nach Nutzungsaufgabe bewaldeten sich die meisten der Hang- und Terrassenflächen.

Auch unabhängig von menschlichen Eingriffen hat sich in den letzten Jahrzehnten das Gesicht der Fläche sehr verändert. Durch die fortschreitende Sukzession haben sich viele offene Standorte bewaldet, auch auf den Trockenrasen setzten sich zunehmend Zitterpappeln und Birken durch. Das örtliche Gartenbauamt hat zudem bedeutende Trockenrasen- und Dünenflächen mit Kiefern, Ahorn, Lärchen und anderen Arten bepflanzen lassen. In kleinen Gruppen wurden standortfremde Arten eingebracht, wie Robinie, Roteiche, Späte Traubenkirsche und Hybridpappel, die sich zum Teil auch selbst weiter verbreiteten. Auch wurden Hangterrassen von Privaten als Gartenbauflächen genutzt und mit Forsythien bzw. Amerikanischer Weide bepflanzt.

Vegetationsveränderungen haben sich auch durch eine unnatürlich hohe Nährstoffzufuhr ergeben, etwa über die Luft (vor allem Stickstoffverbindungen durch Autoabgase und Kraftwerke) und die angrenzende intensive Landwirtschaft. Auch nach Unterschutzstellung wurden als Zugeständnis an die Landwirtschaft acht Hektar Ackerflächen im Naturschutzgebiet bis 31.12.1998 von den Regelungen der Verordnung (Pestizidverbot und Düngebeschränkungen) ausgenommen. Die Eutrophierung erklärt vermutlich das zügige Vordringen des häufig Monokulturen bildenden Landreitgrases auf den Trockenrasenflächen.

Auch in den Gewässern wird die Nährstoffanreicherung deutlich: so zeigt der See in den letzten Jahren vermehrtes Algenwachstum und auch der früher nährstoffarme Haarteich wurde vor allem durch Nutzung als Badeplatz, Hundespielplatz, Pferdetränke und Angelgewässer nachteilig verändert. In der Marsch wurde der Grundwasserstand abgesenkt, vor allem aber die Bille wurde massiv verändert. Da ihr die Wasserzufuhr abgeschnitten wurde (die eigentliche Bille entwässert heute über den Bergedorfer Schleusengraben und die Krapphofschleuse), ist sie quasi ein stehendes Gewässer geworden. Zudem ist ihr Wasserstand abgesenkt, so dass sie östlich der Autobahn um bis zu 50 Zentimeter hoch gepumpt wird, um Richtung Elbe zu entwässern. Durch die nur minimale Fließgeschwindigkeit lagert sich Sediment in der Bille ab. Deshalb wird die Bachsohle regelmäßig geräumt, wobei wertvoller Pflanzen- und Kleintierbestand vernichtet wird.

Große Probleme resultieren aus der Tatsache, dass der überwiegende Teil des Naturschutzgebietes jahrzehntelang als Grünanlage eingestuft war. So hat das Gebiet eine Reihe bisheriger Nutzungen übernehmen müssen (ein Segelfluggelände, zwei Angelvereine haben Pachtgewässer im Naturschutzgebiet, Baden und Lagern am Boberger See ist gestattet). Der Besucherdruck ist durch viele Großbauvorhaben im Umfeld des Gebietes enorm gewachsen. Viele Besucher, die die Boberger niederung weiterhin vorrangig als Naherholungsgebiet betrachten, halten sich nicht an die Ge- und Verbote der Naturschutzgebietsverordnung. Es besteht ein enges Geflecht von Pfaden und viele Besucher werden selbst abseits dieser Pfade angetroffen, Abfälle werden achtlos fortgeworfen, Naturschutzschilder und Wegeführungen vorsätzlich zerstört (so wurde das Anleingebot für Hunde auf zahlreichen Schildern ausgekratzt), Reitwegekennzeichnungen abmontiert, Erholungsinfrastruktur zerstört oder beschädigt und Feuer entfacht. Der Ansprache von Hundebesitzern auf das Anleingebot durch behördliche Ranger folgten Leserbriefbeschwerden und Unterschriftenlisten von Hundebesitzern für mehr Hundefreilauf. Der Naturschutz bewegt sich hier manchmal in einem schwierigen Umfeld.


Kleinflächig wechselnde Standorte ermöglichen im Naturschutzgebiet Boberger Niederung einen außergewöhnlichen Biotop- und Artenreichtum.

Der Dünenkörper ist durch häufige Sandumlagerung bei stärkeren Winden in Bewegung, so dass ständig neue Pionierstandorte etwa für Silbergras, Sandsegge und Kriechweide entstehen können. Neben der Binnendüne finden sich im NSG andere Sandbereiche mit Heide und Trockenrasen, übersandeter Eichen-Krattwald, Moorflächen, Stillgewässer, Gräben, ehemalige Kanäle, die Bille und die Ladenbek, Abgrabungssenken, der Geesthang mit Quellen, Orchideenterrassen (ermöglicht durch den kalkhaltigen Boden mit Staunässe und sonnenexponierter Ausrichtung), Ruderalflächen (ehemalige Hof- und Ziegeleigelände), Grünland und Wälder (vor allem vom Menschen unbeeinflusste Pionierwälder).

Im Naturschutzgebiet wachsen viele stark gefährdete oder am Rande ihres Vorkommens auftretende Arten. Über 100 der hier vorkommenden Pflanzenarten sind auf der Roten Liste der gefährdeten Arten verzeichnet. Das Naturschutzgebiet ist also reich an botanischen Kostbarkeiten, unter anderem: Seltene Rosen-, Weiden- und Birkenarten, Wildobst, Karthäuser Nelke, Blaugrünes Schillergras, Berg-Sandköpfchen, Fetthenne, Storchschnabel, Sand-Vergissmeinnicht, Heide-Nelke, Frühlings-Spark, Golddistel, Nickende Distel, Berg-Johanniskraut, Natternkopf, Odermennig, Glockenheide, Breitblättriges Knabenkraut, Fuchs´sches Knabenkraut, Ochsenzunge, Wiesen-Knöterich, Sumpf-Stendelwurz, Baltischer Enzian, Sumpf-Herzblatt, Großes Zweiblatt, Gamander-Ehrenpreis, Kleines und Rundblättriges Wintergrün, Fichtenspargel, Winterschachtelhalm, Echtes Tausendgüldenkraut, Milzkraut, Flaches Quellried, Torfmoose, Wollgras, Fieberklee, Sumpfblutauge, Schwanenblume, Seekanne, Wasserfeder, Krebsschere, Wasserhahnenfuß und Gelbe Teichrose. Trotz dieser Fülle darf nicht übersehen werden, dass viele der seltenen Arten auch im Naturschutzgebiet rückläufig bzw. ganz verschwunden sind (wie zum Beispiel die Wiesen-Küchenschelle).

Unter den vorkommenden Tierarten sind bemerkenswert: Zwergmaus, ein Einzelnachweis der Haselmaus, Rebhuhn, Bekassine, Wachtelkönig, Heidelerche, Braunkehlchen, Haubentaucher, Kiebitz, Neuntöter, Pirol, Nachtigall, Kolkrabe, Schwarzspecht, Rohrweihe, Habicht, Zauneidechse, Moorfrosch, Seefrosch und die Kreuzkröte.

Charakteristisch für das Naturschutzgebiet ist aber vor allem die große Insektenvielfalt. So kommen mindestens 120 Hautflüglerarten vor (darunter 56 Bienen- und 43 Grabwespenarten), wovon 14 Arten auf der bundesdeutschen Roten Liste verzeichnet sind. Früher war die Zahl der Hautflüglerarten im Gebiet vermutlich erheblich höher, erst in den letzten Jahren ist sie wieder leicht ansteigend. 26 Libellenarten: darunter Große Moosjungfer, Grüne Mosaikjungfer, Schwarze und Blutrote Heidelibelle und Glänzende Smaragdlibelle und 16 Heuschreckenarten - darunter Warzenbeißer, Zwitscher-Heupferd, Gefleckte Keulenschrecke, Panzers Grashüpfer und die wieder aufgetauchte Blauflügelige Ödlandschrecke- wurden nachgewiesen. Auch die Falterarten Blutströpfchen, Rotbraunes Ochsenauge, Bläulinge, Feuerfalter, Grüne Beifußeule und Dickkopffalter leben im Gebiet. Weitere Tierarten sind: Ameisenlöwe, Stierkäfer, Dünen-Sandlaufkäfer, Wasserspinne, Sumpfschnecke und Erbsenmuschel.


1989 bildete sich die Betreuungsgemeinschaft Boberger Niederung, die im Herbst des Jahres mit einem zweiwöchigen Dauereinsatz und der Aufstellung eines über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanzierten Landschaftspflegeprojekts der Gesellschaft für ökologische Planung e.V., begann, die Pflegerückstände aufzuarbeiten. So wurden Heide- und Trockenrasenflächen entkusselt und durch Einschlag oder Rodung vor allem von Birken, Zitterpappeln und Ahorn und einer großen Zahl von Kiefern wieder vergrößert bzw. miteinander vernetzt. Eine große Zahl standortfremder Gehölze wurde entnommen, die mit Japanischen Staudenknöterich bestandenen Flächen gemäht, die Pflanzen gerodet und der Boden teilweise mit Folie abgedeckt. Teile des Landreitgrases wurden jährlich gemäht.

Seit einigen Jahren wird das Freihalten der Heideflächen durch eine Schafherde unterstützt. Auch werden Wiesenareale und Terrassen mit wertvollen Pflanzenbeständen durch regelmäßige Mahd erhalten. Auf kleineren, vergrasten Flächen der Düne ist der Oberboden abgetragen worden, um der Pioniervegetation wieder Raum zu geben. Am Geesthang sind besonnte Abschnitte neu geschaffen worden. Um den Vertritt der Hautflügler-Gelege und der Pioniervegetation zu mindern, wurden Dünenteile mit Wegebegrenzungen und kleinen flachen Zäunen versehen. Kleingewässer in den Marschflächen wurden saniert bzw. neu angelegt. Die Ladenbek, die vorher nur noch eine Betonrinne war, wurde zwischen 1986 und 1989 umgestaltet: der künstliche Ablauf wurde abgebaut und ein Versickerungsbett mit einem Tümpel gestaltet.

Die Naturschutzgebietsverordnung formuliert für die Bille als Ziel ausdrücklich, den Tideeinfluss wiederherzustellen. Durch Versetzen oder eine geänderte Einstellung des Pumpwerks an der Autobahn ließe sich der Wasserstand wieder anheben, wobei abgetragene Teile des ehemaligen Sommerdeichs erneuert werden müssten. Ein begrenztes Ein- und Ausschwingen der Tide ließe die im Hafen liegende Brandshofer Schleuse zu. Neue Wasserstände für die Bille müssten durch ein Planfeststellungsverfahren beschlossen werden, wobei sich lokal einiger Unmut äußern dürfte. Der große ökologische Gewinn würde ein solches Vorhaben aber auf jeden Fall rechtfertigen. Ein Schritt in diese Richtung wurde bereits 1988 getan, indem ein Überschwemmungsgebiet der Bille festgelegt worden ist. Es bleibt weiter wünschenswert und nach dem Landschaftsprogramm auch vorgesehen, nach Aufgabe bzw. Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung den Billebogen und nach etwaigen Renaturierungsmaßnahmen auch größere Teile des Billetals in das Naturschutzgebiet zu integrieren.

Seit dem 1.1.1999 gelten für alle landwirtschaftlich genutzten Flächen im Naturschutzgebiet ein Pestizidverbot sowie Bewirtschaftungs- und Düngebeschränkungen, die lediglich den Einsatz von Stalldung und Kalk gestatten, aber zum Beispiel das Ausbringen von Gülle untersagen. Zur besseren Durchsetzung der Naturschutzgebietsverordnung waren seit 1995 zeitweilig Ranger im Einsatz, seit 1997 gibt es einen eigenen Naturschutzwart für das Gebiet. 1996 wurde ein Naturschutz-Informationshaus errichtet.

Neben einem ausführlichen Pflege- und Entwicklungskonzept, liegt auch ein Gutachten für ein Erholungskonzept für die Boberger Niederung vor. Darin wird vor allem die bessere Vereinbarkeit der Erholungsnutzung mit den Naturschutzzielen gefordert. Einen Beitrag dazu leistete ein mehrjähriges Projekt der Gesellschaft für ökologische Planung, bei dem vor allem das Wegesystem neu gestaltet und mehrere Informationswege angelegt wurden. Das „Wege- und Erholungskonzept für das naturschutzgebiet Boberger Niederung“ der GÖP wurde zu großen Teilen finanziert von der damaligen HEW-Umweltstiftung.

Im Umfeld des Naturschutzgebiets sind durch die Gesellschaft für ökologische Planung e.V. Tümpel saniert und ein Geesthang-Bereich für die dort noch vorkommenden Zauneidechsen angemessener gestaltet worden. Eine große Maßnahme ist ab 1998 südlich des Naturschutzgebiets im Billebogen realisiert worden: Ackerflächen wurden zu extensiv genutztem Grünland umgewandelt, eine Hochstamm-Obstwiese angelegt, eine kleine Fläche Magerrasen am südlichen Dünenrand entwickelt, neue Gräben, Teiche, Blänken und eine neue Wetter geschaffen ohne Anschluß ans Wassersystem des Umfeldes, um unerwünschte Entwässerung zu verhindern. Das Vorhaben dient als Ersatzmaßnahme für den Ausbau der Bahnstrecke Hamburg-Berlin durch die Deutsche Bundesbahn.

Nachdem 2019 im Norden des Naturschutzgebietes Dioxin gefunden wurde, sind umfangreiche Sichherungsmaßnahmen eingeleitet worden. Die belasteten Flächen sind großräumig abgesperrt und werden versiegelt.

Die Betreuungsgemeinschaft Boberger Niederung besteht aus der Gesellschaft für ökologischen Planung e.V. (federführend), dem Botanischer Verein, dem BUND und dem Naturschutzbund.

Das Naturschutz-Informationshaus „Boberger Dünenhaus“ wird von der Loki-Schmidt-Stiftung betreut. Es ist geöffnet: Dienstag bis Freitag 9-13 Uhr, sonn- und feiertags 11-17 Uhr.


Das Naturschutzgebiet Boberger Niederung liegt im Bezirk Hamburg-Bergedorf unterhalb der B5.

ÖPNV:
Buslinie 221 bis zur Haltestelle Boberger Furtweg
Buslinie 330 bis zur Haltestelle Billwerder-Kirche
Buslinie 12 bis zur Haltestelle Schulredder

Auto:
B5 bis Lohbrügge, folgen Sie den Straßen Am Langberg und Schulredder bis Boberger Furt